Und plötzlich war die Story da

Redaktion Unternehmensbroschuere1

Geschrieben von Sabine Hense-Ferch

05.02.2014

In wenigen Tagen erscheint ihr Debütroman „Der Kaufmann von Lippstadt“. Ein Interview mit der Lippstädter Autorin Rita Fust

Und plötzlich war die Story da

Die Literaturwissenschaftlerin Rita Maria Fust lebt seit vielen Jahren mit Ihrer Familie in Cappel. Seit unserer Gründung schreibt sie regelmäßig für Elippse.de. Im März erscheint ihr erster historischer Roman: „Der Kaufmann von Lippstadt“.  Sabine Hense-Ferch sprach mit der gebürtigen Paderbornerin über ihren Alltag als Schriftstellerin und die Beschäftigung mit der Stadtgeschichte, aus der schließlich die Idee für ihren Debütroman reifte. So viel sei verraten: Es gibt bereits Pläne für weitere Bücher.

Wie sieht eigentlich der Tagesablauf einer Schriftstellerin aus? Was machst Du den ganzen Tag?
Ab 8 Uhr sitze ich am Schreibtisch und lese, bzw. recherchiere – meist in Geschichtsbüchern, Fachzeitschriften, Aufsätzen oder Original- Quellen aus dem Stadtarchiv Lippstadt und die zum Thema meines aktuellen Projektes gehören. Wenn ich mir dann fundiertes Hintergrundwissen erarbeitet habe, erstelle ich ein Konzept, auf dessen Grundlage ich eine fiktive Geschichte entwickle. Dann schreibe ich – lese diverse Textpassagen nach, recherchiere vertiefend, schreibe, lese, schreibe, lese … Die Nachmittage und Abende halte ich mir weitgehend für meine Familie frei.

 

Wie kamst Du überhaupt auf die Idee, einen historischen Roman zu schreiben, der in Lippstadt spielt?
Die Initialzündung war im Frühjahr 2010, da war der Tag der Archive. Auch das Lippstädter Stadtarchiv hatte an diesem Sonntag für Besucher geöffnet. Ich ging hin und erfuhr so viel über Lippstadt, dass ich dachte, darüber müsste ich eigentlich etwas schreiben. Und los ging es mit lesen und recherchieren. Viele Quellen aus dem Stadtarchiv und Geschichtsbücher der Stadt habe ich studiert und dabei festgestellt: Lippstadt hat viele Geschichten zu erzählen. Im April 2010 stand für mich fest: Ich schreibe einen Roman über die große Explosion in Lippstadt, die 1764 war.  2010 wurde dann auch das 825-jährige Stadtgründungsjubiläum gefeiert, viele Veranstaltungen beschäftigten sich mit der Stadtgeschichte. Auch das durfte ich mir nicht entgehen lassen. Und plötzlich war sie da, die Geschichte des Ferdinand Overkamp und das erste Rätsel des Oliver Thielsen: Der Kaufmann von Lippstadt.

Wie verlief die Recherche für das Buch, welche Quellen hast Du benutzt?

Der Kaufmann von Lippstadt ist mein erster historischer Roman, und so musste ich grundsätzlich mein Geschichtswissen auffrischen. Ich hatte zwar Geschichte Leistungskurs in der Oberstufe und literaturgeschichtliche Seminare an der Uni, aber das reicht bei weitem nicht aus. Der Roman spielt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Wie war das Lippstadt der damaligen Zeit? Bei der Beantwortung der Frage hat mir Dr. Claudia Becker, die Leiterin des Stadtarchivs, sehr geholfen. Ohne ihre Hilfe hätte ich Lippstadts Geschichte niemals so kennengelernt und hätte höchst wahrscheinlich auch keinen historischen Roman schreiben können, der in Lippstadt spielt.

Wieviel davon ist Wahrheit, wieviel Dichtung?
Gerade weil mich Dr. Claudia Becker so unterstützt hat, habe ich ein recht gutes Bild vom historischen Lippstadt zeichnen können. Sie hat mir von der großen Explosion erzählt, die 1764 Lippstadt fast dem Erdboden gleichgemacht hat und einen weit größeren Schaden hinterlassen hat, als der Siebenjährige Krieg, der gerade vorbei war. Um dieses reale Ereignis habe ich das fiktive Schicksal des Kaufmanns von Lippstadt – Ferdinand Overkamp – entworfen. Es sind übrigens alle Figuren, die in irgendeiner Form in ein Verbrechen involviert sind – sei es als Täter oder Opfer – fiktiv. So auch der Protagonist Overkamp, seine Familie und vor allem sein Schicksal.

 

Die historischen Persönlichkeiten, wie die Bürgermeister, der Stadtsyndicus, der Stadtphysicus und viele andere haben ihre „echten“ Namen und Berufe und Ämter “behalten”. Schwierig wurde es dann bei der „Verteilung“ der Charaktere. Darüber ist im Archiv natürlich nichts zu finden, wie sollte es auch? Die Eigenschaften und das Aussehen sind also fiktiv. Wie ich trotzdem Rückschlüsse auf Charaktere gezogen habe, zeiche ich an einem Beispiel in der Premierenlesung. Ich habe immer darauf geachtet, die historischen Kapitel so realitätsnah wie möglich zu formulieren, nicht nur in Bezug auf Handlung und Fakten, sondern auch bei der Wortwahl. Unzählige Wörter habe ich nachgeschlagen, ob sie im 18. Jahrhundert schon so verwendet wurden, wie wir es heute tun. Grundsätzlich ist es wichtig, Anachronismen zu vermeiden. Das sind nicht immer die großen Fehler wie: Smartphone im 18. Jahrhundert; das sind auch  viele Kleinigkeiten, die – soweit es möglich ist – natürlich auch richtig sein sollten.

Wie kam dann der Kontakt zum Gmeiner Verlag zustande?
Im Internet sind natürlich alle Verlage zu finden, aber es ist ratsam, sich zuerst über das Verlagsprogramm zu informieren. Ich habe dann gezielt die Verlage angeschrieben, die Regionalromane veröffentlichen. Da gibt es sehr viele, habe ich festgestellt – und ich habe viele Absagen bekommen. Das war nicht schön. Umso größer war dann die Freude, als der Gmeiner-Verlag mich – nachdem das Exposé und die Leseprobe wohl neugierig gemacht hatten – um ein persönliches Kennenlernen auf der Buchmesse in Frankfurt 2012 gebeten hat. Da habe ich dann Claudia Senghaas von der Programmleitung kennengelernt und mit ihr ein Gespräch geführt, bei dem ich von vorne herein ein richtig gutes Gefühl hatte. Das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit: Ende 2012 habe ich den Verlagsvertrag bei Gmeiner unterschrieben.
Hier sieht man übrigens, wie lange solche Prozesse dauern: Recherche- und Schreibbeginn: Mitte 2010, Beginn der Verlagssuche: Mitte 2011, Vertragsunterzeichnung: Ende 2012, Lektorat 2013, Erscheinung: März 2014 – da braucht man einen langen Atem …

 

Wird es eine Fortsetzung geben?
Während die Verlagssuche lief, hatte ich genug Zeit, um einen zweiten Teil zu schreiben. Es ist so: Untypisch für einen historischen Roman ist, dass es einen Teil gibt, der in der Gegenwart spielt. Der Kaufmann von Lippstadt spielt 1764/65 und 2010. Beide Zeitebenen ergeben am Ende des Romans eine (Familien-)Geschichte. Der Protagonist der Gegenwartspassagen heißt Oliver Thielsen. Er ist es, der 2010 das erste historische Rätsel (fast) löst. 2012, in meinem zweiten Roman, löst Oliver Thielsen sein zweites Rätsel und die Recherchen zu einem dritten Rätsel laufen …
Warum die beiden Zeitebenen?
Mir ist besonders wichtig, aufzuzeigen, dass Vergangenheit nicht nur ein zurückliegendes und in sich geschlossenes Ereignis ist, das man abhaken und wegpacken kann. Wie viele sagen immer: Was interessiert mich Geschichte, ich lebe im Hier und Jetzt. Aber die Vergangenheit wirkt fort. Unser Heute ist nur so wie es ist, weil die Vergangenheit so war wie sie war. In diesem Zusammenhang muss ich immer an Christa Wolf denken, die in „Kindheitsmuster“ geschrieben hat: „Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen.“
Fazit nach dem ersten Buch: Was ist gut gelaufen, was würdest Du beim nächsten Roman anders machen?
Allein die Tatsache, dass die Gegenwartspassagen fortlaufend sind (2010/2012/201?), macht es für mich einfacher: Ich „kenne“ den Protagonisten Oliver Thielsen und sein Umfeld, also muss ich es „nur“ fortschreiben. Und von den geschichtlichen Grundlagen, die ich mir seit 2010 erarbeitet habe, profitiere ich natürlich und somit auch die historischen Teile meiner Romane. Es geht zwar schneller und einfacher als beim ersten Mal, trotzdem recherchiere ich gründlich. Der historische Teil der Fortsetzung spielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts, und der Protagonist ist kein Kaufmann, so dass ich mir andere berufsbezogene Fachkenntnisse erarbeiten musste.

 

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