Geschichte und Fiktion perfekt verwoben

Rita Maria Fust stellte ihren ersten Roman vor. Fotos: Hense-Ferch

Geschrieben von Sabine Hense-Ferch

21.03.2014

Rita Maria Fust liest aus ihrem ersten Roman

Lange war er erwartet worden, seit einigen Tagen ist er im Buchhandel – gestern wurde er von der Autorin persönlich vorgestellt: Der Kaufmann von Lippstadt. Rita Maria Fust las sehr lebendig aus ihrem 325-Seiten starken Erstlingswerk im Lippstädter Stadtarchiv. An dem Ort, an dem vor vier Jahren alles begann.Rita Maria Fust stellte ihren ersten Roman vor.

Rita Maria Fust stellte ihren ersten Roman vor. Fotos: Hense-Ferch

Rita Maria Fust stellte ihren ersten Roman vor. Fotos: Hense-Ferch

Im Sommer 2010 nämlich, berichtete die Autorin vor einigen Wochen imInterview, kam sie im Rahmen des Tages der Archive mit Dr. Claudia Becker als Leiterin des Stadtarchivs ins Gespräch. Diese erzählte ihr von interessanten Ereignissen der Lippstädter Geschichte, zum Beispiel der großen Explosion von 1764, die im kriegsgebeutelten Lippstadt – damals war der siebenjährige Krieg gerade vorbei und in der Stadt wurden noch Schießpulverreserven größeren Ausmaßes gehortet – verheerenden Schaden anrichtete. Überliefert ist lediglich, dass zwei junge Männer bei der Explosion starben. Um die Ursache und die Folgen dieser Geschichte rankt sich Rita Maria Fusts Roman.

Rita Maria Fust zeigte während ihrer Lesung im Stadtarchiv auch immer wieder historische Dokumente. Fotos: Hense-Ferch

Rita Maria Fust zeigte während ihrer Lesung im Stadtarchiv auch immer wieder historische Dokumente. Fotos: Hense-Ferch

Interessiertes Premierenpublikum: Volles Haus im Stadtarchiv.

Interessiertes Premierenpublikum: Volles Haus im Stadtarchiv.

Aus diesem las die 42-jährige am Donnerstagabend einige Passagen vor. Darunter die ersten Kapitel, in denen der wohlhabende Lippstädter Kaufmann Ferdinand Overkamp vorgestellt wird, der im Laufe des Buches zum Totschläger und Mörder wird, einem Erpresser zum Opfer fällt und schließlich auch noch Familie und Heimat verliert. Detailgetreu und spannend schildert die Literaturwissenschaftlerin die historischen Ereignisse und Orte des Buches. So detailliert, dass man als Lippstädter förmlich das Gefühl hat, auf den Spuren der einstigen Bewohner zu wandeln, die vor 250 Jahren die Stadt bevölkerten. Marienkirche, Goldener Hahn, Einhornapotheke, Südertor – einige markante Punkte gab es schon, sie erleichtern die Orientierung in der Noch-Festungsstadt. Auch echte historische Personen hat Fust in ihr Werk einbezogen wie den Bürgermeister Dr. Rose, den Arzt Dr. Buddeus oder den Stadtsyndicus Clüsener, den sie beim Studium in alten Dokumenten aufgrund seiner krakeligen Handschrift als wüsten und jähzornigen Menschen erkannt zu haben glaubt.

Eine Besonderheit des Buchs ist der Gegenwartsteil, der im Jahr 2010 spielt und immer wieder die historischen Passagen unterbricht. Hier kommt der junge Student Oliver Thielsen nach Lippstadt und beginnt das Rätsel um den Kaufmann Overkamp aufzuklären. Er sucht nach Anhaltspunkten und Relikten der Vergangenheit – die er schließlich auch findet. Auch hier bemüht sich die Autorin um Detailtreue: Sie schildert ausführlich die Straßen und Pfade durch die Innenstadt, beschreibt Ereignisse des Jahres 2010 wie die Gründung der neuen Gesamtschule. Sogar die Vorsitzende des neuen Elternvereins der Schule kommt in Fusts Buch mit ihrer Eröffnungsrede vor – pikanterweise sitzt sie am Abend der Buchvorstellung im Publikum. Immer wieder Schmunzeln unter den Zuhörern, wenn Fust von „echten“ Ereignissen und Orten liest: Der schäbigen Bahnhofsunterführung, den Cafés in der Poststraße, wo der Cappuccino so gut schmeckt.

Leider geht so viel Detailtreue im Roman oft zulasten der handelnden Personen. Hier vermisst man als Leser ein wenig die Tiefe der Charaktere. Warum wehrt sich der durchsetzungsstarke und mächtige Kaufmann Overkamp nicht gegen einen kleinen miesen Erpresser, warum hält ein frisch verliebter Oliver Thielsen seiner Angebeteten bei einem Stadtrundgang Dauer-Vorträge über Lippstadts Stadtgeschichte? Das wirkt ein wenig konstruiert und arg auf Sachlichkeit reduziert. An solchen Stellen kommen Zweifel auf, ob nicht der Wunsch, ein authentisches historisches Buch zu schreiben, ein wenig zu sehr im Vordergrund stand. Auch die häufig eingestreuten Fußnoten wirken – auch wenn sie die akribische Recherchearbeit und Detailgenauigkeit der Autorin unterstreichen – ein wenig störend auf den Lesefluss und unpassend für einen Roman.

Lesung erfüllte die Autorin zahlreiche Signierwünsche.

Im Anschluss an Ihre Lesung erfüllte die Autorin zahlreiche Signierwünsche.

Dennoch ist „Kaufmann von Lippstadt“ eine spannende und interessante Lektüre – nicht nur für Lippstädter und Kenner der Stadt. Und das unterscheidet ihn von zahlreichen anderen historischen Romanen: „Viele historische Romane sind in ihren Geschichten austauschbar, die Städte sind lediglich Kulisse. Das ist hier anders: In der Lippstädter Historie gibt es reale interessante Geschichten, man muss sich gar nichts ausdenken“, so Stadtarchivarin Dr. Claudia Becker bei den einführenden Worten zu Rita Maria Fusts Lesung. Ein lebendiges Stück Stadtgeschichte zu liefern, in dem reale historische Rätsel und Fiktion verwoben wurden – das ist der Autorin ausgezeichnet gelungen. Wir sind gespannt auf die Fortsetzung!

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